Hochspannung mit Lebag-Mann Altun
Er ist fast zwei Meter gross, breit und kräftig gebaut. Aber er wirkt trotz seiner Dimensionen sanft und verbindlich. Sein Name klingt für unsere Ohren fremd: Altun Sijaric. Doch er ist ein waschechter Schweizer. Vielleicht waschechter als viele, die sich dafür halten.
Um 16 Uhr haben wir uns beim Unterwerk Laufenburg verabredet: ein ausgedehntes Areal mit zahlreichen Isolatoren, Kabelsträngen und weiteren Hochspannungsanlagen. Ein Hotspot der Energiewirtschaft. Eine Schlüsselstelle der Stromeinspeisung, auch für das benachbarte Ausland.
Altun Sijaric steht um 15.56 Uhr dort. «Bitte folgen Sie mir.» Das eiserne Tor öffnet sich wie von Geisterhand. Wir betreten die weitläufige Anlage. Auch als Laie erahnt man die Bedeutung dieses Ortes, die Präsenz unerhörter elektrischer Kräfte. Sijaric sagt: «Erschrecken Sie nicht, wenn es knallt. Das kommt hier schon mal vor.» Ich verstehe nicht recht. Weshalb sollte es knallen? Daniel Stutz, Geschäftsführer der Firma Lebag, erklärt die technischen Voraussetzungen, unter denen es zu einem Knall kommen kann. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht alles. Aber egal, ich bin jetzt gefasst.
Gas statt Luft
Altun Sijaric hat seinen Arbeitsplatz für längere Zeit hier im Unterwerk Laufenburg. Die ganze Anlage soll modernisiert werden. Die Swissgrid als Betreiberin hat entschieden, die ganzen Freiluftelemente auf den neusten technologischen Stand zu bringen. Das heisst: Verzicht auf Luftisolation und stattdessen Isolation der Anlageteile mit einem dafür geeigneten Gas. Das erlaubt eine sehr viel kompaktere Schaltanlage, die in einem neuen Betonbau untergebracht und damit weniger störungsanfällig ist.
Altun stellt klar: «Mit der Schaltanlage selbst habe ich nichts zu tun. Sie wurde direkt von den ABB-Leuten montiert. Ich bin für die Leitungen zuständig.» Er öffnet die Tür des Gebäudes. Im Innern, leuchtend rot bemalt, die sogenannte gasisolierte Schaltanlage GIS (Gas Insulated Switchgear). «Ich arbeite völlig selbständig», sagt der junge Mann. «Ich bin mein eigener Chef. Genau das macht für mich den Reiz aus.» – Also ehrlich: Diese Verantwortung möchte ich nicht tragen! Wenn hier etwas schief läuft, hört der Spass auf.
Altun geht voraus in den Keller. Puah! Da winden sich armdicke, schwarze Leitungen durch den Raum. Aus Löchern in der Decke kommen sie herunter und verschwinden rechts in den dafür vorgesehenen Beton-Aussparungen. Etwas seitlich liegt ein vielleicht 30 Zentimeter kurzes Reststück. «Darf ich das hochheben?» – «Tun Sie sich keinen Zwang an.» Mit einer Hand allein schaffe ich es nicht. Dieser unbedeutende Abschnitt ist zu schwer für mich. Wie bitte hat es Altun geschafft, zwanzig bis vierzig Meter lange Kabel dieses Typs in den Kellerraum zu zwingen, einen Kurvenradius hinzubekommen und alles erst noch optisch ansprechend zu fixieren? Altun wirkt völlig gelassen: «Ja, Genauigkeit und Sorgfalt haben hier einen extrem hohen Stellenwert. Es gibt Arbeitsschritte, die keinerlei Hast vertragen. Schon ein Kratzer kann innert weniger Monate zu einem fatalen Störfall führen.»
Einer der Besten
Altun ist gelernter Netzelektriker, eine Lehre, die er beim Bündner Energieunternehmer Repower absolviert hat. Dann reizte ihn das Grössere. Im Internet stiess er auf die Lenzburger Firma Lebag, Freileitungs- und Kabelbau. Er machte sich über die Website schlau, studierte die Bilder, die Baustellen und erhielt den Eindruck, dass hier immer wieder neue, anspruchsvolle Arbeiten anstehen. Nun ist er seit sechs Jahren bei Lebag, hat schon verschiedentlich im Ausland gearbeitet, in Deutschland, Italien, Frankreich und sogar in den USA. Seine Qualifikationen befähigen ihn zu so verantwortungsvollen Aufgaben, wie jenen, die er in Laufenburg lösen muss.
Daniel Stutz fügt an: «Altun gehört zu unseren Besten. Er hat sich in der Szene schon einen hervorragenden Namen gemacht. Das ist für die Akquisition von neuen Aufträgen von grösster Bedeutung.»
Wir verlassen das Areal. Altun verabschiedet sich mit einem festen Händedruck.
Übrigens: Es hat nicht geknallt.
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