In the Heat of the Day

In einer halben Stunde beginnt mein Schnuppertag bei der Firma Amsler & Frey AG in Schinznach-Dorf. Hoch präzise Einzelteile aus Kunststoff stellt das Unternehmen her. Es geht um Hundertstel. Engste Toleranzen.

Und schon habe ich mich in den schüchternen, unsicheren 15-Jährigen zurückverwandelt. Ich möchte eine gute Falle machen. Allerdings ist ein Hitzetag der ersten Kategorie angesagt. Darf ich mir kurze Hosen erlauben? Was soll ich mitnehmen? Sieht doch blöd aus, wenn ich mit einer Wasserflasche anmarschiere, oder? – Wie muss es den «echten Schnupperern» in diesem Moment zumute sein?

Der Chef höchst persönlich begrüsst mich, ein kräftiger Händedruck, einige scherzhafte Worte, auch zur Wetterlage. Ich will keine Spezialbehandlung. Ich möchte wissen, wie sich ein Schnuppertag bei Amsler & Frey abspielt, möglichst unverstellt. «Kommen Sie! Wir zeigen Ihnen heute unsern ganzen Produktionsbetrieb, von der Anlieferung über die Dreherei und die Fräserei bis zum Messraum.»

Einlagern und zuschneiden
Marc führt als Werkstattleiter Logistik durch seine Abteilung. Sachlich erklärt er die Abläufe: Anlieferung von Kunststoffplatten, -stangen und -röhren – Kontrolle – Einlagerung – Kommissionierung – Gewicht des Rohstoffs ermitteln – Auftrag im System zurückmelden – Material ins Lager der Produktion – Auftrag deponieren. «Chunsch no drus?» Klar, ich fühle mich noch frisch trotz Hitzetag. Er führt mich ins Lager, Abteilung G. Da sind die 12mm-Stangen, von denen er jetzt einige braucht. Marc muss nicht suchen; er weiss genau, was wo abgelegt ist.

Hans, der schon etwas ältere Mitarbeiter an der Plattenaufteilsäge, führt mit spürbarem Berufsstolz seine Maschine vor. Platten bis zu vier Metern Länge und Breite schneidet er hier zu. Sie dürfen nicht dicker als 150 und bis zu 0,3 dünn sein. «Wir geben alle Masse in Millimetern an.» Dann kommt Hans auf Eigenheiten der Firma zu sprechen. Die flache Hierarchie, der menschliche Umgangston, der Teamgedanke. «Mir gefällt es. Ich fühle mich wohl.» Dazu streicht er mit der Hand beinahe zärtlich über die frisch zugeschnittenen Werkstücke, prüft deren Oberfläche.

Zehn Uhr. Die Zeit fliegt. Konzentriertes Zuhören ermüdet. Die Hitze auch. Wie ist das wohl bei 15-Jährigen? – Ohne Pause geht es weiter in die Dreherei. Ich hätte gerne auch selbst mal Hand angelegt.

Alles ist einfach
Peter ist Chef in der Dreherei. Er führt mich durch seine Abteilung, erklärt die komplexen Einsatzmöglichkeiten der Maschinen. «Das ist ganz einfach.» Ja, ja, denke ich, einfach ist alles, was man beherrscht.

Die Klimaanlage in der Halle ist ausgefallen. Draussen sind mehr als 30 Grad. Und drinnen? – Den Kunden kümmern die Temperaturen nicht. Nur das Resultat zählt. Die Toleranzen gelten. Der Abgabetermin ebenfalls.

Jeder Mitarbeiter arbeitet an «seiner» Maschine autonom. Er programmiert sie, startet einen Probedurchgang, überprüft das Resultat im Messraum, wo jedes Werkstück auf Dutzenden von Positionen kontrolliert wird, bevor es in Serie geht. «einfach», hat Peter gesagt.

Markus und Matthias stehen an der neusten Maschine. Sie produzieren kleine, leicht konische Teile, gerade mal 7 Millimeter in der Länge und im Durchmesser. An genau definierten Stellen bohren sie fünf winzige Löcher. Das Endprodukt sieht wenig spektakulär aus; die Herstellung schon. Mehrere vollautomatische Werkzeugwechsel. Drehen, fräsen, bohren, ablängen. Alles im exakten Winkel, in der richtigen Dimension. «Wofür ist dieses Teil?» – «Keine Ahnung. Das wissen wir nur in den seltensten Fällen.»

Durst. Markus verschafft mir eine Flasche Valser Wasser. Lauwarm, aber flüssig. Nochmals zurück an die Maschine. Dann ist Mittagspause.

Luzia
Christian ist heute zuständig für die Fräserei. Jede Maschine erklärt er mir ausführlich. Wir kommen zu Luzia. Ja, unter den Mitarbeitenden sind auch einige Frauen. Luzia bearbeitet Hunderte von kleinen Teilen, Plättchen mit vier «Füssen» und zwei Löchern, alles genau definiert. Immer zwei dieser Teile fixiert sie im Innenraum der Maschine, bevor sie den Bearbeitungsvorgang startet. «Bitte zeig mir, wie das geht.» Kurze Einführung, dann lässt sie mich an die Maschine. Teile in korrekter Ausrichtung einsetzen, fixieren, Maschinenabdeckung schliessen, grüner Startknopf, los gehts. Hurra, ich darf etwas machen! Am liebsten würde ich Luzia umarmen.

Im Programmierraum scheint es weniger warm. Alle vier Computer-Stationen sind besetzt. Eine andächtige Stille, als befänden wir uns in einem sakralen Raum. Kein ehrfürchtiges, sondern ein konzentriertes Schweigen. Fehler dürfen hier nicht sein. Jedes falsche Zeichen macht das Resultat unbrauchbar. Auf dem Bildschirm ein Gewimmel von Grossbuchstaben und Zahlen. Jan erläutert die Programmiersprache und die Entwicklung eines etwa handtellergrossen Isolationsteils. «Das ist ganz einfach.»

16 Uhr. Das wars. Ich setze mich hin, wische mir den Schweiss von der Stirn. Die Glieder ziemlich ausgekocht, im Kopf ein Gewirbel von Eindrücken. Viel gesehen, viel gehört, viel mitbekommen: ein komplexes Räderwerk, bei dem jedes Einzelteil zuverlässig funktionieren muss. Hitze hin oder her.

Hans überprüft mit erfahrener Hand die Oberfläche eines Werkstücks
Eine Drehmaschine bearbeitet mit feinem Werkzeug ein beiges Werkstück

Die Vermessung des fertigen Werkstücks erfolgt über den pinkfarbenen Taster

Der Messvorgang erscheint auch am Bildschirm; das Gerät registriert die exakten Messdaten

Messungen sind auch im Innern des Teils möglich

Grosses Drumherum, kleines Werkstück (Bildmitte, weiss)

Ein massives Futter fixiert das Werkstück. Die fünf Löcher im weissen Kunststoffzylinder sind gut zu erkennen

Die fertigen Teile sind winzig, kaum so gross wie eine Stubenfliege

Alle diese Teile muss Luzia verarbeiten

Die fertigen Teile werden sein säuberlich aufgereiht

Der Weg vom Rohling über den ersten Bearbeitungsschritt bis zum fertigen Teil in Vorder- und Rückenansicht (von rechts)

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