Der Griff in den Kochherd

Wochenende. An der Badenfahrt locken jede Menge Attraktionen. Konzerte auf allen Bühnen. Sämtliche Kollegen am Feiern. – Wonach steht den angehenden Elektroinstallateuren unter solche Vorzeichen der Sinn? Was machen die Jungs der BWZ-Abschlussklasse an diesem Tag? Abhängen, chillen, allerlei Flüssiges konsumieren?

Falsch! Fast die ganze Klasse hat sich freiwillig gemeldet, um am schulfreien Samstag ein Projekt mit ihrem Lehrer Hermann Leitner abzuschliessen. Sie installieren eine Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Privathauses. Und zwar in Baden! Das Schulprojekt hat Priorität vor der Badenfahrt! Auch das ist «die heutige Jugend»!

Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie – weg von fossilen Energieträgern, hin zu erneuerbarer Energie. Die Klasse hat sich mit diesem Thema intensiv befasst. Dabei ging es um technische, rechtliche und gesellschaftliche Fragen, aber auch ganz praktische Probleme im Zusammenhang mit der Montage: Wie lassen sich die Solarpanels auf dem Dach sicher befestigen? Und welche elektrotechnischen Installationen sind erforderlich?

Leitner sieht im Projekt zudem eine soziale Komponente: «Gemeinsam haben wir alles erarbeitet, gemeinsam installieren wir die Anlage. Das Geld, das wir dabei verdienen, investieren wir in ein weiteres gemeinsames Unterfangen. Wir reisen für drei Tage ins Wallis und studieren die Wasserkraftanlage von Grande Dixence.»

Lernen durch Erleben
Zu Beginn seiner Tätigkeit als Fachlehrer am Berufs- und Weiterbildungszentrum Brugg BWZ unterrichtete Hermann Leitner nach klassischem Muster. Viel Theorie, wenig Praxisbezug, kaum eigene Aktivitäten der Schüler. Das ist lange her.

Irgendwann wuchtete er einen Kühlschrank ins Schulzimmer, dann einen Kochherd. «Wir griffen in die Innereien der Geräte und holten zum Beispiel ein elektrisches Teil mit Keramik heraus. Nun lag die Frage auf der Hand: Was macht denn der Werkstoff Keramik im Kochherd? Das Interesse der Schüler war geweckt. Der Bezug zum wahren Leben hergestellt.» Praxisbezogenes Lernen macht allen Beteiligten mehr Spass als trockene Theorie, auch dem Lehrer.

Ende der 90er-Jahre tauchte im BWZ – nur folgerichtig – der Begriff Elektrolabor auf. «Labor» – in den Ohren neugieriger junger Menschen ein verlockender Begriff. Eigene Aktivitäten entfalten, herumpröbeln, Versuche durchführen, Grenzen ausloten, auch mal scheinbar Unmögliches testen. Ein Tummelfeld für kreative Köpfe.

Hermann Leitner in seinem Unterrichtszimmer
Ergänzendes Material für die Lernenden
Lego-Platten erleichtern den Aufbau von Versuchsanlagen

Den Dozenten stehen grosse Demonstrationsobjekte zur Verfügung

Klassensets für den individualisierenden Unterricht
Hermann Leitner vor den Anlagen seines Elektrolabors

Jawohl, machen wir
Nach anfänglichem Stirnrunzeln bei der Schulleitung – die Kosten! – erkannte das neue Leitungsteam mit Andreas Bürgi seitens des Schulvorstands die verheissungsvollen Perspektiven. Mehr noch; sie stimmten der Anlage eines Laborschulzimmers zu, also einem Raum, der gleichzeitig «normalen» Unterricht und das Experimentieren im Elektrolabor zulässt. Möglich machen das absenkbare Laboreinrichtungen mit Steckern, Schaltern, Anschlussbuchsen, Messgeräten, In-house-Entwicklungen inklusive, alles vom Lehrerpult aus gesteuert. Praxis und Theorie im Einklang.

Hermann Leitner kommt auf die variablen Möglichkeiten des Elektrolabors zu sprechen. Lauter Begriffe, die dem Laien fremd sind, den Lernenden aber dank einleuchtender Unterrichtshilfen leicht verständlich werden. «Alles Schüler-sicher und Kurzschluss-fest!» Vergleichbares sucht man in der Schweiz vergeblich.

Respekt!
Nach 37 Jahren Lehrtätigkeit hat Hermann Leitner nichts von der Begeisterung für sein Fach eingebüsst. «Dies muss ich Ihnen auch noch zeigen, und jenes, unbedingt!» Er berichtet von Unterrichtssituationen, von Reaktionen der Lernenden. In deren Sprache formuliert er die Kommentare der Jugendlichen: «De alti Sack het doch no eine druff!»

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Im Berufs- und Weiterbildungszentrum Brugg werden Lernende in den Fachrichtungen Wirtschaft (KV), Technik (Elektroberufe) und Natur (Floristik, Gärtner, Forstwart) ausgebildet. Zudem gibt es ein breites Angebot an Weiterbildungskursen für Erwachsene.

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