11000 Jahre alter Spielverderber

Wenns im Kanton Glarus rumpelt, tut man gut daran, den Kopf einzuziehen. Kleinere und grössere Bergstürze sind dort nichts Ungewöhnliches. Ein letztes solches Grossereignis war der Bergsturz von Elm am 11. September (nine/eleven!) im Jahr 1881. 114 Menschen kamen um; 83 Gebäude wurden vollständig zerstört.

Etwa vor 11000 Jahren ereignete sich auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Glarus Süd, zwischen Glarus und Schwanden, ein gewaltiger Bergsturz. Die Geologen kennen ihn unter dem Namen Glärnisch-Guppen. Das Gestein wälzte sich ins Tal und bildete bei Schwanden einen keilförmigen Schutthügel. An gleicher Stelle brachen 1593 und 1594 nochmals Felsmassen aus der Glärnischwand.

Doch was kümmern Ereignisse, die so weit zurückliegen?

Erstens kommt es anders
Ein Konsortium mehrerer Energieunternehmen und der öffentlichen Hand legte der Glarner Regierung ein Projekt vor, das die Wasserkraft des Sernf und des Niederenbachs nutzen will. Es geht um ein Gefälle von 36 Metern zwischen Schwanden und Mitlödi. In einem etwa 1700 Meter langen Stollen, Durchmesser 3 Meter, soll das Wasser auf die Turbinen strömen. Die Betreiber haben eine Produktionsleistung von 21 Millionen kWh berechnet. Im Frühjahr 2016 sollte alles betriebsbereit sein. Sollte …! Der prähistorische Bergsturz machte den Planern einen dicken Strich durch die Rechnung.

Trotz sorgfältiger geologischer Abklärungen erwies sich der zu durchbohrende Schuttkegel als völlig unberechenbar. Eine Microtunnelingmaschine arbeitete sich von Mitlödi aus in steigendem Vortrieb in den Berg. Dahinter schoben Hochdruckpressen die 43 Tonnen schweren Röhrenelemente aus Beton ins Loch, eines nach dem andern. Gute 1150 Meter lang klappte das weitgehend; auftretende Schwierigkeiten bekam man in den Griff. Doch dann der Stillstand. In der offiziellen Mitteilung steht: «Am 17. Juli 2015 musste der Rohrvortrieb bei Tunnelmeter 1299 eingestellt werden.» Tönt harmloser, als es in Tat und Wahrheit ist. Rund 300 gewaltige Röhren stecken im Berg fest, zuvorderst die Bohrmaschine. Der Bohrkopf ist zwar noch drehbar, aber der Rohrstrang ist blockiert und lässt sich nicht mehr vorwärts schieben.

Materialdepot und Abstiegsschacht zum Stolleneingang (Bildmitte)

Die Armierungseisen sind in ihrer Form genau dem Tunnelquerschnitt angepasst

Stolleneingang in Schwanden
Blick in den Stollen

Braun getrübtes Wasser fliesst aus dem Bohrloch (oben)

Lasertechnik gewährt eine genaue Ausrichtung des Stollenvortriebs

Baustellenchef Christian Ris macht sich ein Bild vom Baufortschritt

Gegenangriff
Die Bauherrschaft «Kraftwerk Doppelpower AG» suchte die Unterstützung von qualifizierten Tunnelbauern. Diese fand sie beim Aarauer Bauunternehmen Rothpletz, Lienhard + Cie AG, unter dessen Federführung sich eine Arbeitsgemeinschaft mit zwei weiteren Firmen gebildet hat. Die Männer arbeiten sich jetzt im fallenden Gegenvortrieb von Schwanden her auf die Maschine zu, die im Bergsturzmaterial festsitzt. Nach rund 360 Metern werden sie auf die Microtunnelingmaschine stossen, sie bergen und die noch fehlenden Betonrohre versetzen.

Rein ins Loch
Baustellenchef Christian Ris von Rothpletz, Lienhard + Cie AG geht voran. «Setzen Sie den Helm auf. Ich zeige Ihnen die Situation.» Mehrere Gerüsttreppen führen zum Stollenportal hinunter. Seit Bohrbeginn im Juli 2016 sind noch keine hundert Meter geschafft. Lärm. Staub. Und vor allem: Wasser. Grosse Pfützen am Boden, und aus dem jüngsten Bohrloch fliesst armdick eine braune Brühe aus dem Berg. Der Vortrieb geschieht im Grundwasser. Und wie man sieht, schwemmt dieses den Flussschotter gehörig aus. Im schlimmsten Fall könnte dies dazu führen, dass der Baugrund kollabiert.

Also dichten die Mineure auch kleinste Wasserläufe ab. Eine überaus zeitaufwändige Arbeit, denn die Männer verfüllen alle Poren und Ritzen im kiesigen Baugrund. «Es ist zu schaffen, aber Zeit- und Finanzaufwand sind beträchtlich.» – «Was heisst das in Zahlen? Wann sind Sie fertig? Und was kostet das Ganze?» – «Derzeit sind die Kosten und der Zeitbedarf schwierig abzuschätzen. Der Berg wird es zeigen.»

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