«Wir verkaufen Hautgefühl»

Es ist ein kleines Wunder, dass es in unserem Land noch Webereien gibt! Denn in den letzten 50 Jahren sind in der Schweizer Textilindustrie neun von zehn Arbeitsplätzen verschwunden. Überlebt hat die Weseta Textil in Glarus dank dem Glauben an Schweizer Qualität und dem Mut zur Innovation. Der Zürcher Unternehmer Conrad Peyer lässt tief im Sernftal, inmitten der Glarner Alpen, traumhaft weiche Frottiertextilien weben – beste Schweizer Wertarbeit. Er ist ein Visionär, ein Macher, genauso wie seine Vorfahren.

Während der Autofahrt von Ziegelbrücke nach Niederurnen erzählt Peyer von seinem Grossvater, der in den 40er Jahren als Gemeindepolitiker unermüdlich nach Bern reiste und dort um Baumwollkontingente verhandelte. Damals galt ein Importstopp für Baumwolle und andere Waren. In zweiter Generation übernahm Peyers Onkel die Firma Weseta. Er behauptete sich gegen zunehmende Konkurrenz aus Niedriglohnländern. Heute leitet Conrad Peyer das Unternehmen. Als Inhaber hält er mit 80 Prozent des Aktienkapitals eine komfortable Mehrheit.

Alles oder nichts
Als Peyer 1995 die Leitung der Weseta übernahm, war er 34 Jahre jung. Obwohl ein erfahrener Betriebswirtschafter und Wirtschaftsprüfer, fühlte er sich von den bevorstehenden, harten Entscheidungen überfordert, wie er ehrlich zugibt. So holte er sich einen Berater zur Seite, reduzierte das Personal von 70 auf 25 Mitarbeitende und investierte in den Exporthandel. Die Firma galt als saniert, als neue Ereignisse das Kaufverhalten negativ beeinflussten: der Anschlag auf das World Trade Center, der Krieg gegen den Irak – dann die Finanzkrise. Während Investoren 2008 ihre Aktien auf den Markt schleuderten, investierte Peyer grosse Summen in die Produktion. «Alles oder nichts», lautete seine Devise. Seit 2011 besitzt die Firma einen der modernsten Maschinenparks Europas.

Perfektion und Beständigkeit
Niederurnen. Erstes Etappenziel ist die Jenny Fabrics, bekannt für ihre anspruchsvollen Bekleidungs- und Vorhangstoffe. In diesen Fabrikhallen hat sich die Weseta mit zwölf Webmaschinen eingemietet. Es rattert und bebt in der grossräumigen Industriehalle. An der Decke schweben weisse Baumwollflocken. Ein Bild, als wäre Frau Holle mit am Werk. Garnspulen, aus erlesener amerikanischer Baumwolle, werden hier in einem sorgfältigen Verfahren in seidenweiche Frottées verwandelt – tac, tac, tac, tac – jeder Faden ist einzeln angesteuert; moderne Dynamik, die das alte Handwerk weiterleben lässt. «Wir verkaufen Hautgefühl», erklärt Peyer den Qualitätsunterschied. «Das besonders Weiche stellen wir im mechanischen Prozess her, nicht erst beim Färben.»

Weit hinten im Tal liegt Engi, der Hauptsitz der Weseta, rund 80 Kilometer von der Wirtschaftsmetropole Zürich entfernt. «Natürlich ist es schwierig, abseits der Zentren qualifiziertes Personal zu finden», sagt Peyer. Dafür macht er mit fortschrittlichen Arbeitsmodellen auf seine Firma aufmerksam. Oder pflegt ein grosses Netzwerk, um motivierte Schulabgänger für eine kaufmännische Lehre zu gewinnen. Sprachen und Freude am Reisen sind wichtig; schon von Beginn weg dürfen Lehrlinge mit an die Messen und sich auf internationalem Terrain bewegen.

Mit Weseta auf Tuchfühlung
Frottiertextilien sind weit weniger ein Produkt als ein Gefühl. Und wer Wohlgefühl vermitteln will, braucht Herzblut. In Peyers Brust schlägt nicht nur ein Kämpferherz, nein, wer ihm zuhört, spürt auch seine Leidenschaft für Qualität und die Liebe zum Detail. Spätestens dann, wenn man die versandbereiten Frottées in Händen hält. Rund 300 000 einzeln von Hand kontrollierte Badetücher, -mäntel und -teppiche stehen auf 2000 m2 Fläche für die Handelspartner bereit. Prompte Lieferung in jeder Stückzahl: Auch das ist Qualitätsbewusstsein.

Weseta erzielt jährlich rund acht Millionen Franken Umsatz, davon 30 Prozent mit Lieferungen ins Ausland. Ein Grund sich zurückzulehnen? Weit gefehlt! «Naturaldream» heisst das neuste Produkt, gewoben aus extralangstapliger Supima Baumwollfasern. Es steht für höchste Bioqualität. Peyer wird das Frottiertuch im Januar 2017 in Frankfurt, an der weltweit grössten Textilmesse, vorstellen. «Swiss Made hat Erfolg, weil Gutes gut tut und edle Materialien zum persönlichen Statement gehören», ist er überzeugt.

Hauptsitz Weseta Textil, Engi
Rohgarn-Rollen im Vorwerk
Der Webereileiter Oliver Petig an einer der Jacquard-Webmaschinen
Konfektion / Näherei Engi
Mitarbeiterinnen am Legetisch
Stück für Stück wird handkontrolliert
Frottier-Qualität zum Wohlfühlen
Idyllisches Sernftal